Pressemitteilung

Den Kompass verloren

Montag, 3. Mai 2021, 19 Uhr , Hofheim, Am Untertor: Schwarz gekleidete Menschen haben sich rund um den leeren Platz versammelt, auf einem mit schwarzem Tuch verhüllten Tischchen bei der Lautsprecheranlage und der Moderatorin, ganz in schwarz, stehen in geschmückten Gefäßen weiße Rosen, Grablichter brennen, dazu getragene Musik.

Ein Ereignis, ein Trauerfall der ein öffentliches Gedenken hervorruft?

Nein, ein dramaturgischer Einfall der Organisator:innen der Kundgebung der selbsternannten „Freiheitsboten“.

Anlass für dieses Spektakel? Eine von der Staatsanwaltschaft angeordnete Hausdurchsuchung bei einem Weimarer Familienrichter nach Anzeigen gegen ihn wegen Rechtsbeugung.

Die Vorgeschichte: Dieser Richter hatte Anfang April dem Antrag einer Mutter stattgegeben. Sie sah die Gesundheit ihrer beiden Söhne durch Test- und Maskenpflicht sowie das Abstandsgebot in deren Schulen als gefährdet. Daraufhin ordnete er per einstweiliger Anordnung Präsenzunterricht in den jeweiligen Schulen der Jungen an. Zugleich untersagte er Abstands-, Test- und Maskenpflicht. Allerdings nicht nur für die beiden Jungen, sondern für sämtliche Kinder an den beiden Weimarer Schulen. Seine Begründung u.a.: Aus den Hygieneregeln ergibt sich eine Kindeswohlgefährdung.

Dieser Beschluss war von Gegnern der Coronamaßnahmen, wie den „Freiheitsboten“ gefeiert worden. Die„Freiheitsboten“ hatte ursprünglich der Arzt Bodo Schiffmann ins Leben gerufen. Bereits im September 2020 behauptete er, dass zwei Kinder wegen des Tragens von Masken gestorben seien, ohne jeglichen Beweis. Und in einem Video hatte er erklärt, Lehrer gefährdeten das Kindeswohl, wenn sie "Befehle" zu Schutzmaßnahmen befolgten. In der Regierung säßen "die Faschisten", so Schiffmann, und "diese Faschisten gehen an unsere Kinder".

Die Anzeigen und Maßnahmen der Staatsanwaltschaft gegen diesen richterlichen Beschluss, der den Betrieb an diesen Schulen unmöglich gemacht hätte, sind also der Grund in Hofheim „Trauer zu tragen“?

Wie vermessen müssen die Initiator:innen dieser Veranstaltungen sein wenn sie ihre Kritik an der Staatsanwaltschaft aufmotzen zu einer Trauerveranstaltung mit der Instrumentalisierung der Symbole die für die „Weiße Rose“ stehen, der Widerstandsbewegung der Geschwister Scholl und ihrer Freunde gegen den Nationalsozialismus. Schäbig bedienen sie sich des Andenkens an die jungen Widerstandskämpfer:innen die von den Nazis hingerichtet wurden.

Die Vorsitzende der Weiße-Rose-Stiftung äußert sich folgendermaßen zu dieser Instrumentalisierung: „Aber bei den Querdenkern erreicht es heutzutage eine andere Größenordnung, weil bundesweit immer wieder der Bezug zur Weißen Rose und speziell auch zu Sophie Scholl gezogen wird. Vor diesem Hintergrund grenzen wir uns auf der Homepage der Weiße Rose Stiftung klar ab. Weitere Handhabungen stehen uns nicht zur Verfügung, als den Missbrauch als solchen zu bezeichnen und die Unterschiede zwischen heute und der doch sehr brutalen NS-Diktatur herauszustellen.“

Auf dem Telegramm-Kanal der Hofheimer „Freiheitsboten“ äußert sich ganz aktuell zum 3. Mai ein „Frank“ über die polizeiliche Kontrolle einer Teilnehmerin zur Vorlage eines Maskenattests: ...„hier geht es nicht um die grundsätzlichen Anordnungen, sondern im Rahmen eines konkreten Einzelfalles um das unverhältnismäßige Vorgehen der modernen Gestapo, die leider bundesweit bereits seit weit über einem Jahr - egal ob mit oder ohne Uniform - jegliche Relationen verloren hat und NUR noch blind die Befehle der Führerin Agnieszka Merkill gnadenlos ausführt !!!“

Zu wünschen ist, dass die Teilnehmer:innen dieser „Freiheitsboten“-Kundgebungen erkennen, dass Geschichtsverfälschung und -relativierung das Handeln und Reden der Organisatoren bestimmt. Mögen sie sich von ihnen abwenden und die Richtung ändern . Damit wäre alles gesagt!

Übrigens gedenken wir am 9. Mai des 100. Geburtstags von Sophie Scholl.

Beate Ullrich-Graf

Abgeordnete
DIE LINKE.Main-Taunus im Kreistag

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