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24. September 2012 00:15:51

Haushaltsrede (15. Dezember 2008)


Haushaltsrede der Wählergemeinschaft »Die Linke«
am 15. Dezember 2008


Sehr geehrter Herr Vorsitzender, meine Damen und Herren,

Ich muss schon sagen, dass ich über die Haushaltsdebatte dieses Jahr ganz schön erstaunt bin: Der Kreis investiert, bürdet sich »freiwillige Leistungen« auf. Die CDU und FDP stellen Änderungsanträge: der Kreis soll jetzt in Sozialkaufhäuser und Tafeln investieren.
Meine Damen und Herren von CDU und FDP: Ihre Haltung ist ganz schön widersprüchlich. Über das gesamte Jahr lehnen Sie alle möglichen Anträge unter Verweis auf die Finanzierbarkeit ab, jetzt in der Haushaltsdebatte wollen Sie die freiwilligen Leistungen des Kreises ausbauen.

Nicht, dass wir uns falsch verstehen: Wir haben prinzipiell dagegen überhaupt nichts einzuwenden, auch wir sind der Auffassung, dass der Kreis mehr tun sollte. Aber dann muss es bei der Diskussion hier im Kreistag, um die politische Frage gehen, ob und wie die Vorschläge der Fraktionen inhaltlich zu bewerten sind. Es erfordert eine ernsthafte inhaltliche Auseinandersetzung, keine Scheuklappenpolitik. Die Finanzkeule werden Sie im kommenden Jahr jedenfalls nicht mehr schwingen können, ohne sich in ein Glaubwürdigkeitsproblem zu manövrieren: Wenn Sie jetzt vorschlagen die freiwilligen Leistungen des Kreises auszubauen und sich dabei noch nichtmal mehr die Mühe machen Gegenfinanzierungsvorschläge zu unterbreiten, dann  können sich nicht mehr glaubwürdig als Vertreter eines schlanken »Leistungskreises« darstellen.

Das mit dem schlanken Kreis war sowieso mehr Propaganda als Realität: Wo ein politischer Wille ist, ist auch ein Weg. Man denke etwa bei Bauprojekten wie der Veranstaltungshalle für den Landrat oder bei der Kulturregion. Die Mittel wurden mobilisiert und in den Haushalt eingestellt. Also muss es heute darum gehen, zu fragen, in wie weit die Kreispolitik, die sich im Kreishaushalt ausdrückt, unterstützenswert ist, ob sie die richtigen Akzente und Schwerpunkte setzt.

Sehr geehrte Damen und Herren,

wir sind der Auffassung, dass der vorliegende Haushalt keine Grundlage für eine Kreispolitik ist, die sich der wachsenden sozialen Polarisierung in der BRD und auch hier im Kreisgebiet stellt: Der Kreis tut zu wenig für die sozial Schwachen im Kreis. Das gilt für die Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik und es gilt auch für die Bildungspolitik. Schulenbauen, Herr Landrat, ist schön und gut, aber der Kreis muss doch Antworten dafür entwickeln, wie Kinder aus einkommensschwachen Familien bei steigenden Preisen noch am Unterrrichtsalltag mit Klassenfahrten, teuren Lektürebüchern und gemeinsamen Mittagessen teilhaben können. Dazu findet sich kein einziger Ansatz im Haushalt. Ein weiteres Problem ist der sündhafte teure ÖPNV in der Region – auch hier kein einziger Ansatz im Haushalt, wie diesem Problem zu begegnen wäre. Es ist doch nicht zuviel verlangt, diese Probleme mal anzugehen und dafür kreative Lösungen zu entwickeln.

Mit unseren Änderungsanträgen machen wir Vorschläge dazu, wie eine bessere und sozialgerechtere Kreispolitik aussehen könnte und ich will unsere Vorschläge kurz darstellen und begründen:


Wir schlagen vor, dass Geld in den Haushalt eingestellt wird, um dem Problem der teuren Preise für den ÖPNV in der Region zu begegnen: Der Kreis muss sich erstens für ein preisgünstiges Monatsticket für einkommensschwache Mitbürgerinnen und Mitbürger einsetzen, damit auch sie mobil sein und am gesellschaftlichen Leben teilhaben können. Der Hartz IV Regelsatz reicht mit seinen 11,32 Euro pro Monat für die Mobilität hinten und vorne nicht für die Mobilitätserfordernisse unserer Zeit.
Zweitens regen wir an, eine verbilligte Fahrkarte für Schüler, Auszubildende und Praktikanten einzuführen. Das bestehende Angebot einer sog. »Clever-Card« für Schüler und Auszubildende ist mit seinen 481 Euro bzw. 725 (für die Fahrt nach Frankfurt) jährlich nicht sonderlich erschwinglich und kein attraktives Angebot. Ich weise an dieser Stelle nochmals darauf hin, dass der Kreis Darmstadt-Dieburg mit seinem Mobi-Ticket für den Landkreis und für Darmstadt ein gutes Angebot für junge Menschen i.H.v 252 Euro jährlich auf den Weg gebracht hat. Wieso sollte das nicht auch bei uns möglich sein?
Und weil wir wissen, dass das alles in der Planung und Konzeptionierung aufwändig sein wird, fordern wir, dass Mittel eingestellt werden, um mit der Planung und Konzeptionierung dieser beiden Vorschläge zu beginnen.

Sehr geehrte Damen und Herren,

wir haben uns in der letzten Haushaltsdebatte intensiv über das Mittagessen an unseren Schulen auseinandergesetzt. Wir möchten an dieser Stelle darauf aufmerksam machen: Es geht beim Schulessen nicht nur ums Geld und darum, dass – wie es im Verwaltungssprech so schön heißt – »ein Mittagessen eingenommen« werden kann. Es geht auch um die Esskultur und ein Essensangebot, dass die Schülerinnen und Schüler annehmen. Hier sehen wir Handlungsbedarf. Kürzlich hat auch eine Vorlage des Kreisauschusses nochmal verdeutlicht, dass das Essen an vielen Schulen besser angenommen werden könnte. Wir sind der Auffassung: Es macht keinen Sinn die Schulen jetzt an verbindliche Kontingente zu binden, die sie an Mittagessen verkaufen müssen, man muss vielmehr bei der Esskultur ansetzen. Wir wissen, dass an einigen Schulen Projekte stattfinden, bei denen die Schüler in den unteren Jahrgangsstufen einmal die Woche mit der Lehrerin gemeinsam mittagessen. Das finden wir vorbildlich und der Kreis sollte den Schülerinnen und Schülern in diesen Projekten das Essen finanzieren. Und er würde so auch für andere Schulen einen Anreiz schaffen genau solche Projekte einzuführen.

Im Bereich der Schulpolitik beantragen wir außerdem, dass der Kreis Sorge dafür trägt, dass auch die über 16jährigen Kinder von Empfängerinnen und Empfängern von ALG II Anspruch auf eine angemessene Abdeckung des Schulbedarfs haben.  Das »Schulbedarfspaket« im Rahmen des »Familienleistungsgesetzes«, das jetzt beim Bundesrat liegt und am 19.12. beraten oder entschieden werden soll, ist ja ein Eingeständnis des Bundes, das im Hartz-Regelsatz für Schulbedarf nichts vorgesehen ist. Eigentlich müssten wir auch für die Schülerinnen und Schüler bis 16 Jahre noch vorsorglich einen Betrag einstellen, falls das Bundesgesetz nicht kommt. Das wären dann ca 1.500 im Kreis (6-16, 10 Jahrgänge)  ca. 150.000 Euro. Hier könnte der Kreis zeigen, dass er die wachsende soziale Polarisierung nicht nur aussitzt, sondern, dass er handelt. Und ich muss ihnen an dieser Stelle wahrscheinlich nicht sagen, dass gerade solche Zuschüsse an die Betroffenen, wieder direkt in den Konsum fließen und deshalb auch konjunkturell sinnvoll sind.


Sehr geehrte Damen und Herren,

wir sehen in der Schullandschaft des Kreises die Notwendigkeit, gemeinsam mit Eltern, Schülern und Lehrern einen überregionalen Rahmen zu schaffen, um auch die architektonischen Schulbaumaßnahmen im Verhältnis zur Pädagogik oder auch z.B. die Essensfragen auszuwerten und zu diskutieren. Deshalb schlagen wir die Einrichtung einer Kreisschulkonferenz vor, an Schüler, Eltern und Schulleiter teilnehmen sollen. Wir halten nichts davon, dass der Kreis gerade bei der Koordinierung der Baumaßnahmen immer nur mit den einzelnen Schulen verhandelt. Gemeinsame Ideen z.B. das gemeinsame Gebäude für die Bodelschwingh-, die Heiligenstock- und die Wichernschule, das die Schulischen Gremien sich gewünscht hatten, wurde politisch abgebogen und der alte pädagogische Stand wird zementiert.

Lassen Sie mich abschließend noch ein paar Sätze zu den Änderungsanträgen der CDU und FDP Fraktion sagen, also zum Sozialkaufhaus und zur Unterstützung der Tafel in Schwalbach. Hier sollen schließlich erheblich Mittel eingestellt werden, die diesen Projekten zu Gute kommen sollen. Wir halten es für falsch– und ich sage das in aller Anerkennung vieler Bürgerinnen und Bürger, die sich in solchen caritativen Projekten engagieren –  aus solchen Projekten, die einen caritativen, die Not kurzfristig lindernden Ansatz folgen, eine verallgemeinerbare Sozialpolitik zu machen.
Man muss außerdem zwischen den Anträgen unterscheiden: Einmal wird Geld für die bestehenden Tafeln in Hattersheim und Schwalbach gefordert, dann aber soll ein Sozialkaufhaus eingerichtet werden. Das Geld für die Tafeln sollte eingestellt werden, sie leisten einen wichtigen Beitrag für die Abdeckung der wichtigsten Grundbedürfnisse. Das darf jedoch nicht dazu führen, dass sich der Staat zurücklehnt und weiter so niedrige Sozialleistung zahlt, die die Tafeln erst notwendig machen.
Beim Sozialkaufhaus sind wir skeptischer:
Die Empfängerinnen und Empfänger von ALG II oder anderer Sozialleistungen sind Mitbürgerinnen und Mitbürger, die Anspruch auf gesellschaftliche Teilhabe haben. Nicht wenige von ihnen erhalten erworbene Ansprüche vom Staat und haben in die sozialen Sicherungssysteme eingezahlt. In einem Sozialstaat gibt es keine Almosen, sondern soziale Sicherungssysteme. sie sind Teil dieser Gesellschaft, sie sind Mitbürgerinnen und Mitbürger: Das muss auch beim Konsum gelten! Eine vernünftige Sozialpolitik in einem Sozialstaat muss dafür sorgen, dass der Bedarf von sozial und einkommensschwachen Bürgerinnen und Bürger regulär, in Supermärkten und Geschäften gedeckt werden kann, nicht in »Neben«-ökonomien, die außerdem vom Steuerzahler subventioniert werden. Ich sage es ganz deutlich: Die Hartz IV Regelsätze müssen so beschaffen sein, dass die Betroffenen ihren Bedarf regulär decken können. Und wir würden uns hier im Kreis Geld und Mühe sparen, wenn sich ihre Parteifreundinnen und Parteifreunde in Berlin endlich eine beherzte Erhöhung des Regelsatzes auf den Weg bringen.

An dieser Stelle zeigen sich dann nur zu gut die Unterschiede zwischen den sozialpolitischen Ansätzen der Fraktionen. Für unsere Sozialpolitik ist jedenfalls der Ausgangspunkt, dass auch Erwerbslose und sozial Schwache Staatsbürgerinnen und Staatsbürger sind und das ist materiell mit entsprechenden Sozialleistungen, die ein gleichberechtigtes Leben in dieser Gesellschaft ermöglichen, zu untersetzen. Und ein verbilligtes Ticket für den ÖPNV oder bessere Regelungen bei den Mietkosten würden den Betroffenen unseres Erachtens mehr helfen als ein Sozialkaufhaus.

Sehr geehrte Damen und Herren,

zwar ist uns in diesem Jahr nicht das hohe Lied auf den schlanken Kreis und seine Sparsamkeit gesungen worden. Trotzdem unternimmt der Kreis keine Schritte, um der wachsenden sozialen Polarisierung im Kreis zu begegnen. Einer solchen Politik können wir nicht zustimmen und werden deshalb den Haushalt in der vorliegenden Fassung ablehnen.


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